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Unfallversicherung, Wegeunfall § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist auch der umittelbare Weg nach und von der Arbeit von der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. Hierbei ist immer wieder streitig, ab wann es sich nicht mehr um den unmittelbaren Weg handelt. Das BSG hat mit Urteil vom 05.07.2016, Az. B 2 U 16/14 R noch einmal klargestellt, dass eine geringfügige Unterbrechung, die auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist und gleichsam „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann, den Versicherungsschutz nicht berührt. Bewegt sich der Versicherte dagegen nicht auf einen direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von seinem Ziel fort, befindet er sich auf einem Abweg. Der Schutz der Wegeunfallversicherung endet, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird. Er besteht erst wieder, sobald sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befindet.

Merkzeichen aG auch bei neurologischen Erkrankungen (Parkinson)

Das BSG hat mit Urteil v. 16.03.2016 – B9 SB 1/15  entschieden, dass auch eine neurologische Erkrankung die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begründen kann. Gleichstellungsfälle erfassen auch die Parkinson´sche Krankheit. Eine Gleichstellung aufgrund von Parkinson ist vorzunehemen, wenn sich der schwerbehinderte Mensch wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Fahrzeuges bewegen.

Strafrichter muss bei Sozialleistungsbetrug eigenständig prüfen

In Fällen des sog. Sozialleistungsbetrugs hat das Tatgericht selbständig zu prüfen, ob und wieweit tatsächlich kein Anspruch auf die beantragten Leistungen bestand. Das gleiche gilt für den Eintritt des Schadens. Eine allgemeine Verweisung auf eine behördliche Schadensaufstellung ist nicht ausreichend, BGH v. 22.03.2016, 3 StR 517/15

Telefon, Internet und Nachsendeantrag als Umzugskosten

Bei einem vom Jobcenter als notwendig anerkannten Umzug mit einer entsprechenden Zusicherung hinsichtlich der Umzugskosten sind auch die Kosten für Telefon- und Internetanschluss sowie die für einen Nachsendeantrag vom Jobcenter zu übernehmen, BSG v. 10.08.2016, B 14 AS 58/15 R

Wertsteigerungen einer Lebensversicherung stellt kein Einkommen dar

Das BSG hat mit Urteil v. 10.08.2016, B 14 AS 51/15 R entschieden, dass Überschussanteile und Bewertungsreserven aus einer zum Schonvermögen zählenden Kapitallebensversicherung kein Einkommen nach § 11 SGB II darstellen..

Bei Zweifel an der Erwerbsfähigkeit muss das Jobcenter vorleisten

Das LSG NRW hat mit Beschluss vom 09.06.2016, L 9 SO 427/15 B ER entschieden, dass bis zur Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit das Jobcenter vorläufige Zahlungen zu leisten hat. Das Jobcenter darf fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne zuvor den Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben.

Keine Abzweigung nach § 48 SGB I von ALG II

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil v. 21.01.2016 – L 6 AS 1200/13 entschieden, dass eine Abzweigung von ALG II nicht zulässig ist.

Die Abzweigung nach § 48 SGB I eröffnet die Möglichkeit Sozialleistungen in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder auszuzahlen, wenn der Leistungsberechtigte seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt. Das LSG hat entschieden, dass ALG II – Leistungen dem Berechtigten als notwendiger Bedarf zu belassen sind.

Dies gilt auch für die Freibeträge, die von dem zu berücksichtigendem Einkommen abzusetzten sind.

Über Antrag auf Beratungshilfe muss förmlich entschieden werden

Es kommt immer wieder vor, dass Beratungshilfescheine abgelehnt werden, ohne hierüber förmlich zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss v. 29.04.2015 – 1 BvR 1849711 entschieden, dass

„Die Nichtbescheidung des Beratungshilfeantrags durch den Rechtspfleger verletzt ebenfalls die Rechtsschutzgleichheit der Beschwerdeführerin.

Da sich der Beratungshilfeantrag der Beschwerdeführerin nicht durch die Erteilung seiner Hinweise erledigt hat, hätte der Rechtspfleger über die Zurückweisung – nach § 5 BerHG in Verbindung mit §§ 38, 39 FamFG durch einen zu begründenden und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehenden Beschluss (vgl. Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 12. Aufl. 2014, § 6 BerHG Rn. 4 und 18) – entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers verkennt den Anspruch der Beschwerdeführerin auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des außergerichtlichen Rechtsschutzes. Sie erschwert ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Beschwerdeführerin zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren. Im Übrigen erschwert eine solche Verfahrensweise auch generell die Durchsetzung des Anspruchs auf Beratungshilfe, weil ein vor Bewilligung von Beratungshilfe in der Regel noch nicht anwaltlich vertretener Antragsteller mangels eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschlusses nicht ohne weiteres weiß, dass und wie er gegen die Versagung der Beratungshilfe vorgehen kann.“

Nachgezahltes Arbeitseinkommen stellt laufende Einnahme iSd SGB II dar

Eine Nachzahlung aus Arbeitsentgelt ist nicht als einmalige, sondern als laufende Einnahme zu berücksichtigen, BSG v. 24.04.2015 – B 4 AS 32/14 R. Die Unterscheidung ist daher wichtig, da einmalige Einnahmen, durch deren Anrechnung in einem Monat die Bedürftigkeit entfällt, die Einnahmen auf 6 Monate aufgeteilt und angerechnet werden. Laufende Einnahmen nur in dem Zuflußmonat, danach gelten Sie als Vermögen und werden nur berücksichtigt, wenn die Vermögensfreigrenzen überschritten sind.

Beschränkte Minderjährigenhaftung auch gegenüber dem Jobcenter

Die beschränkte Minderjährigenhaftung bedeutet, dass bei Eintritt der Volljährigkeit,  die Haftung für Schulden auf das vorhandene Vermögen beschränkt ist, § 1629a BGB. Das BSG hat mit Urteil v. 18.11.2014, B 4 AS 12/14 R entschieden, dass diese Regelung auch für die Erstattung von SGB II-Leistungen gilt. In dem Fall waren Leistungen erbracht worden, die später zurück gefordert wurden. Eine Person war inzwischen volljährig geworden. Vermögen war nicht vorhanden. Die Leistungen mussten von der Person nicht erstattet werden. Unerheblich war hier auch, dass der Erstattungsbescheid erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit erlassen wurde.

 

Kein Merkzeichen „G“, wenn 2 km trotz starker Schmerzen in 30 Minuten zurück gelegt werden können

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil v. 01.07.2015 – L 13 SB 68/13 entschieden, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ nicht voliegen, wenn mind. 2 km in 30 Minuten zurück gelegt werden können. Das hierbei mitunter sogar starke Schmerzen auftreten sei unerheblich.

Dies zeigt, was passiert, wenn man bei einer Untersuchung die „Zähne zusammen beißt“. Bei starken Schmerzen ist es völlig in Ordnung eine Pause einzulegen oder die Untersuchung ganz abzubrechen.

Unrechtmäßige Nutzung von Behindertenparkausweis ist keine Straftat iSd StGB

Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss v. 27.08.2013 – 2 Ss 349/13 entschieden, dass die unrechtmäßige Auslage eines Behindertenparkausweises keinen Missbrauch von Ausweispapieren, keinen Betrug, Urkundenfälschung oder sonstige Straftaten nach dem StGB darstellt. In Betracht kommt lediglich eine Ordnungswidrigkeit.

„Außergewöhnliche Gehbehinderung“ kann nicht im einstweiligen Rechtsschutz festgestellt werden

Das LSG Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss v. 21.09.2015 – L 7 SB 48/14 B ER entschieden, dass das Merkzeichen „aG“ nicht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt werden kann. Wörtlich führt es aus:

Eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) liegt hier nicht vor. Das Bedürfnis des Beschwerdeführers, wegen seines angegriffenen Gesundheitszustandes und seiner eingeschränkten Gehfähigkeit möglichst kurze Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen, ist grundsätzlich kein im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbares Rechtsgut. Dieses Interesse gehört nicht zu den beschriebenen wesentlichen existenziellen Lebensgrundlagen, sodass es ggf. noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig gesichert werden müsste. Der Nachteil in Form gelegentlicher längerer Fußwege, den der Beschwerdeführer dadurch erleidet, dass er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über keine Parkerleichterung verfügt, ist nicht schwerwiegend in dem von § 86b SGG vorausgesetzten Sinne, sodass er vorläufig hingenommen werden muss.

Herabsetzung GdB Prüfungszeitpunkt

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides, der einen GdB herabsetzt oder eine Merkzeichen aufhebt, ist der maßgebliche Zeitpunkt der Erlass des Widerspruchsbescheides. LSG Baden Württemberg –  L 6 SB 3978/14 – v. 17.12.2015

 

 

Urteile des BSG vom 06.08.2014 zur Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen

Das BSG hat sich in zwei Urteilen vom 06.08.2014 mit den Voraussetzungen für die Gleichstellung von behinderten Menschen mit schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX auseinandergesetzt.

In dem Urteil B 11 AL 5/14 R hat das BSG festgestellt, dass es der Gleichstellung nicht entgegen steht, dass die Person bereits einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Vorausssetzung ist jedoch, dass ein konkreter Arbeitsplatz angestrebt wird. Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen.

In dem Urteil B 11 AL 16/13 R arbeitet das BSG die einzelnen Voraussetzungen für die Gleichstellung heraus. Hierbei wird klargestellt, dass sich die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen bestimmt. Hierbei sind auch die Rechtspflichten der Rehabilitationsträger sowie die sich aus § 81 SGB IX folgenden Rechtspflichten des Arbeitsgebers zu berücksichtigen.

Bzgl. des Kausalzusammenhangs zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung wurde festgestellt, dass keine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises erforderlich ist. Vielmehr genügt es – wie auch sonst bei sozialrechtlichen Kausalitätsprüfungen -, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann.

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